Angehörige daheim pflegen – und dafür einen Lohn bekommen
Vor drei Jahren wurde Bruno Wermelinger nach einer Hirnblutung zum Pflegefall. Dass er heute wieder weitgehend selbstständig ist, verdankt er seiner Frau Theres, umfangreichen Therapien und einer Spitex-Betreuung zuhause.
Im September 2020, mitten in der Corona-Pandemie, änderte sich das bislang eher beschauliche Leben des Ehepaars Wermelinger urplötzlich. Bruno erlitt mitten in der Nacht eine Hirnblutung. Seine Frau fand ihn und alarmierte sofort den Notruf. Bruno überlebte. Aber seine linke Seite war komplett gelähmt, er konnte nicht mehr sprechen und hatte sein Kurzzeitgedächtnis verloren. Drei Monate verbrachte er in einer Rehaklinik in Zurzach – und er wurde an Weihnachten auch noch mit Corona infiziert. «Ich sah ihn sieben Wochen lang nicht mehr», sagt seine Frau Theres.
Pflegebett und neues Bad
Bruno Wermelinger erholte sich soweit, dass er Anfang 2021 wieder nach Hause durfte. Aber er war auf Pflege angewiesen und sass eine Zeit lang im Rollstuhl. «Ich konnte nicht gehen, nicht selber aufstehen, nicht selber duschen», sagt der heute 79-Jährige. Täglich kommt eine Pflegefachkraft des Gesundheitsdienstleistungs-Unternehmens reha at home zu Wermelingers nach Hause und übernimmt die Grundpflege. Auch die Physio-, Logo- und Ergotherapie, mit welcher der ehemalige Stadtrat von Bülach noch in der Reha begonnen hatte, wird daheim fortgesetzt. Damit das möglich wurde, mussten Wermelingers erstens Platz für ein Pflegebett schaffen und zweitens einige bauliche Veränderungen in der Wohnung vornehmen. Theres zählt auf: «Heute haben wir eine begehbare Dusche mit Sitzgelegenheit, Haltegriffe neben der Toilette und ein höheres Lavabo ohne Unterbau, damit Bruno sich hinsetzen kann.»
Ein langer Weg
Der ehemalige Maschinenbau-Ingenieur erholte sich weiter. Er lernte wieder zu sprechen, die linksseitige Lähmung ging Stück für Stück zurück, und die Motorik seiner Hand verbesserte sich. Aber der Weg ist lang – auch für Theres, die sich um alles kümmert, was früher ihr Mann getan hat. Sie regelt die Finanzen und Büroarbeiten, erledigt kleine handwerkliche Arbeiten in der Wohnung, organisiert die
vielen Termine von Bruno und hilft ihm bei der Körperpflege, wenn keine Pflegefachkraft im Haus ist. Dafür hat sich die heute 74-Jährige einige Kompetenzen aneignen müssen. «Ich lernte von den Pflegefachleuten in der Rehaklinik und von reha at home, wie ich Bruno zum Beispiel aus dem Bett heben und in den Rollstuhl setzen kann. Das war sehr wichtig, denn ich musste in der Lage sein, ihn zu unterstützen.»
Lohn für die Pflege
All diese Pflegedienste leistete Theres zunächst gratis. Später wird sie von Pflegehero, einer Kooperation mit reha at home, als pflegende Angehörige angestellt und erhält einen Lohn. «Das Geld ist für mich jedoch zweitrangig», sagt sie. «Mir ist vor allem wichtig, dass ich jederzeit Ansprechpartner habe.» Julia Walthard, Pflegedienstleiterin Pflegehero, erklärt das Konzept: «Angestellte pflegende Angehörige müssen innerhalb eines Jahres nach Anstellungsbeginn einen Pflegehelferkurs absolvieren. Sie verpflichten sich ausserdem, bestimmte Pflegedienste für den Angehörigen zu erbringen und den Pflegeverlauf zu dokumentieren.» Diese regelmässigen Berichte werden geprüft, ebenso die erbrachten Leistungen und deren Qualität. Pflegehero seinerseits verpflichtet sich, die pflegenden Angehörigen zu entlöhnen, zu coachen, anzuleiten und ihnen bei Bedarf zur Seite zu stehen.
«Mir ist vor allem wichtig, dass ich jederzeit Ansprechpartner habe.»
Gute Fortschritte
Bruno Wermelinger hat sich von seiner Hirnblutung soweit erholt, dass er seinen Alltag fast wieder selbstständig bewältigen kann. Er kann ohne Hilfe gehen, seine Sprachfähigkeit ist vollständig zurückgekehrt, und sein Kurzzeitgedächtnis macht gute Fortschritte. Aber bei einigen Dingen benötigt er noch Unterstützung, wie er sagt. «Theres hilft mir noch bei der Körperpflege, zum Beispiel beim Abtrocknen nach dem Duschen. Ausserdem bin ich nicht in der Lage, meine Socken selber anzuziehen, weil ich mich dafür zu sehr vornüberbeugen müsste und stürzen könnte.» Wichtig ist auch Theres’ Begleitung, wenn Bruno ausserhalb des Hauses Besorgungen macht. Denn dies dient seiner Sicherheit. Seine Ehefrau ergänzt: «Bruno ist Diabetiker und braucht regelmässig Insulin. Vor der Hirnblutung setzte er sich die Spritze selbst. Heute unterstütze ich ihn dabei, weil die Motorik seiner linken Hand noch nicht perfekt funktioniert. Das Tastaturschreiben ist für ihn ebenfalls schwierig. Aber er schafft es!»
Text Manuela Talenta Fotos Studio Filipa Peixeiro